+++ VergabeWelt +++ November 2019 +++
Die Abwicklung von Ausschreibungen hat grundsätzlich über elektronische Wege zu erfolgen. Die Kommunikation zwischen Auftraggeber und potentiellen Auftragnehmern erfolgt daher regelmäßig über sogenannte E-Vergabe-Systeme. Ein Beschluss der Vergabekammer Südbayern stellt nunmehr Bedingungen an die elektronische Kommunikation, die derzeit Auftraggeber und Plattform-Betreiber in Zugzwang bringen.
Informationsschreiben im E-Vergabe-Portal
Das Ziel eines Vergabeverfahrens ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot. Unter Betrachtung von Preis und Leistungsaspekten soll dabei im Rahmen der vergaberechtlichen Grundsätze zwischen wirtschaftlichen und weniger wirtschaftlichen Angeboten differenziert wird.
Gemäß des § 134 Abs. 1 GWB sind bei EU-weiten Ausschreibungen die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt, also nicht bezuschlagt werden,
- über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll,
- über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und
- über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses
unverzüglich in Textform zu informieren. Bei Verfahren mit Teilnahmewettbewerb gilt dies auch für Bewerber, denen keine Information über die Ablehnung ihrer Bewerbung zur Verfügung gestellt wurde, bevor die Mitteilung über die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter ergangen ist.
Der Zweck dieser Regelung ist „die Gewährleistung eines effektiven Primärrechtsschutzes für Bieter [und Bewerber] gegen eine sie benachteiligende Vergabeentscheidung“ (VK Lüneburg, Beschluss vom 01.09.2017 – VgK-25/2017).
Um den Bewerbern und Bietern die Möglichkeit zu geben, von diesem Rechtsschutz vor Zuschlag Gebrauch machen zu können, ist ein solches Informationsschreiben gemäß § 134 Abs. 2 GWB 15 Kalendertage bzw. bei der elektronischen Abwicklung zehn Tage vor der Beauftragung (Zuschlagserteilung) zu senden.
Die aktuell eingesetzten E-Vergabe-Plattformen halten regelmäßig einen Kommunikationsbereich bereit, in dem der öffentliche Auftraggeber den Bewerbern und Bietern alle notwendigen Informationen zum Vergabeverfahren gem. § 11 VgV zur Verfügung stellen kann, die neben den Vergabeunterlagen erforderlich werden. Zudem ermöglicht es Bewerbern und Bietern zusätzliche Informationen anzufragen sowie deren Beantwortung durch den öffentlichen Auftraggeber zu empfangen. So werden hier regelmäßig innerhalb des E-Vergabe-Systems auch die genannten Informationen nach § 134 Abs. 1 GWB bereitgestellt. Im E-Mail-Postfach der Bewerber/Bieter landet dann oftmals nur eine kurze E-Mail, die besagt, dass im jeweiligen Kommunikationsbereich eine Nachricht hinterlassen wurde, ohne dass auf den Inhalt der Nachricht weiter eingegangen wird. Der Inhalt wird dem Bewerber/Bieter erst dann ersichtlich, wenn er sich auf der Plattform einloggt und die Nachricht im Kommunikationsbereich öffnet.
Die Vergabekammer Südbayern stellt in ihrem Beschluss vom 29.03.2019 (Z3-3-3194-1-07-03/19) fest, dass eine solche Nachricht im Kommunikationsbereich der Plattform und auch eine E-Mail die ausschließlich auf eine Nachricht im Kommunikationsbereich verweist, nicht den Anforderungen an den Versand der Informationen nach § 134 GWB gerecht werde.
Hierbei stützt sich die Kammer vor allem auf das Argument, dass die E-Vergabe-Plattform im Gegensatz zum bietereigenen E-Mail-Postfach nicht als Machtbereich des Bieters angesehen werden könne. Die Notwendigkeit, hochgeladene Informationen auf der Vergabeplattform abzurufen, wandele daher unzulässigerweise die Bringschuld der Vergabestelle in eine Holschuld des Bieters um.
„Bei Erklärungen, die in das Internet eingestellt werden, dem Empfänger aber nicht übermittelt werden“, sei die geforderte Textform gemäß § 126b BGB „allenfalls gewahrt, wenn es tatsächlich zum Download kommt“. Solange nicht alle Bieter die Informationen heruntergeladen haben, beginnt demnach die zehntägige Frist bis zum frühestmöglichen Zuschlagstermin nicht und der Auftraggeber kann keinen Zuschlag erteilen.
Der Beschluss wurde kontrovers diskutiert und ist auch nach wie vor umstritten.
So wurde unmittelbar nach Verkündung des Beschlusses Beschwerde beim OLG München eingelegt. Das OLG verwarf die sofortige Beschwerde (Beschluss vom 28.8.2019; Verg 10/19 und Verg 11/19).
Auf der Grundlage des Beschlusses der Vergabekammer Südbayern wird daher empfohlen, sicherzustellen, dass Bewerbern und Bietern Informationen nach § 134 GWB so zugestellt werden, dass sie den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung und den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unmittelbar, d.h. ohne Umweg über die E-Vergabe-Plattform, ihrem E-Mail-Postfach entnehmen können.
Einige Betreiber von E-Vergabe-Plattformen, haben bereits reagiert und den Inhalt der automatisch generierten E-Mails, die an die Ausfertigung des Informationsschreibens nach § 134 GWB auf der Plattform geknüpft sind, überarbeitet.