IMTB auf dem 11. Deutschen Vergabetag 2024
Am 14. und 15. November fand in Berlin der 11. Deutsche Vergabetag statt, eine bedeutende Fachveranstaltung für alle, die sich mit öffentlicher Beschaffung und Vergaberecht befassen. Zahlreiche Experten aus Verwaltung, Wirtschaft, Recht und Wissenschaft kamen zusammen, um aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen in der öffentlichen Vergabe zu diskutieren. Für uns war die Teilnahme eine wichtige Gelegenheit, Einblicke in die neusten Trends, aktuellen Herausforderungen und Rechtsentwicklungen zu gewinnen.
Im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung wurden zahlreiche Vorträge und praxisorientierte Workshops angeboten, die sich mit den drängendsten Fragen der öffentlichen Beschaffung befassten. Zu den behandelten Themen gehörten u.a. Bürokratieabbau, Digitalisierung (insbesondere durch KI) sowie praktische Einblicke in die Markterkundung und die Nachforderung von Unterlagen.
Fokus auf Bürokratieabbau und Digitalisierung
Ein zentrales Thema war die Diskussion über Effizienz- und Entlastungspotenziale in der öffentlichen Auftragsvergabe. Dabei reichten die Ansätze von legislativen Maßnahmen – wie dem Vergabetransformationsgesetz, dessen Umsetzung nach der Regierungskoalitionskrise fraglich ist – bis zum verstärkten Einsatz digitaler Technologien, wie Künstliche Intelligenz (KI).
In mehreren Workshops wurde der Einsatz von KI in Vergabeverfahren beleuchtet. Das Fazit war eindeutig: KI kann eine erhebliche Entlastung bieten. So können die sogenannten Large Language Models, dessen wohl berühmtester Vertreter ChatGPT von OpenAI ist, z. B. Texte für Leistungsbeschreibungen oder andere Dokumente der Vergabeunterlagen generieren. Aber auch das Auslesen von Daten, etwa im Rahmen der Auswertung von Teilnahmeanträgen und Angeboten, kann von KI unterstützt oder potenziell gar vollständig übernommen werden.
Dennoch: Bei der Verwendung von KI ist immer noch eine sorgfältige Kontrolle der generierten Ergebnisse durch den Auftraggeber unverzichtbar, um die fachliche und vertragliche Korrektheit und die vergaberechtliche Rechtskonformität der Verfahren sicherzustellen. Ob und in welchem Maße dieser Kontrollbedarf zukünftig zurückgehen wird, wird die Zukunft zeigen.
Aktuelle Rechtsprechung und praktische Erkenntnisse
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Frage, wie Vergabestellen Fehler bei der Eignungsprüfung und unzulässige Nachforderungen vermeiden können. In diesem Kontext wurden aktuelle Urteile des OLG Frankfurt vorgestellt, bei denen besonders die Vergabetransparenz und die Chancengleichheit der Bieter im Vordergrund standen. Dr. Gundula Fehns-Böer, Richterin am OLG Frankfurt, erläuterte, wie wichtig eine sorgfältige Dokumentation und präzise Vergabeunterlagen sind, um juristische Angriffsflächen zu minimieren und den fairen Wettbewerb zu wahren. Besonderes Augenmerk wurde auf Fälle gelegt, in denen Verstöße gegen Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsätze gerügt wurden. Es wurde betont, das klare und eindeutige Vergabebedingungen essenziell sind, um rechtliche Angriffe und Verzögerungen zu vermeiden. Auch die Anforderungen an produktneutrale Ausschreibungen waren ein zentrales Thema. Die Entscheidungen zeigten, dass Vergabestellen darauf achten müssen, keine unverhältnismäßigen Anforderungen zu stellen, die bestimmte Produkte oder Hersteller bevorzugen.
Markterkundung
Zum Thema Markterkundung wurde intensiv erörtert, wie Vergabestellen eine strukturierte und rechtsichere Markterkundung durchführen können. Die Diskussion unterstrich die Bedeutung einer sorgfältigen Dokumentation und transparenter Abläufe, um den rechtlichen Risiken vorzubeugen und einen fairen Wettbewerb sicherzustellen. Der Vortrag zeigte außerdem auf, dass öffentliche Auftraggeber durch gezielte Markterkundung und den Dialog mit dem Markt nicht nur die besten Angebote identifizieren, sondern auch innovative Lösungen fördern und zu einer fairen Vergabepraxis beitragen können. Abschließend wurde hervorgehoben, dass die Markterkundung für beide Seiten – sowohl für öffentliche Auftraggeber als auch für Unternehmen – ein wertvolles Instrument darstellt.
Aufklärungen und Nachforderungen im Vergaberecht
Im Workshop „Aufklärungen und Nachforderungen im Vergaberecht“ wurde nochmal die Bedeutung des rechtlichen Rahmens bei der Nachforderung von Unterlagen und der Aufklärung von Unklarheiten im Vergabeverfahren hervorgehoben.
Dabei wurde besonders auf die Unterscheidung zwischen Nachforderung und Aufklärung eingegangen: Während die Nachforderung fehlende Unterlagen betrifft, die für die Wertung des Angebots wichtig sind, dient die Aufklärung der Klärung unklarer oder widersprüchlicher Angaben, ohne den Inhalt des Angebots zu verändern. In der Praxis ist es oft schwierig zu bestimmen, welche Unterlagen als wertungsrelevant gelten und welche Nachforderungen gerechtfertigt sind. Um diese Abgrenzung klarer zu machen, wurden aktuelle Rechtsprechungen und praxisnahe Beispiele herangezogen, die die Spielräume und Grenzen der Nachforderung verdeutlichten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nachforderungen zwar eine gewisse Flexibilität im Vergabeverfahren ermöglichen, jedoch immer im Einklang mit den Prinzipien der Fairness und Transparenz erfolgen müssen. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Vergabeprozess nicht gefährdet wird und alle Beteiligten gleichbehandelt werden.
Fazit und Ausblick
Der deutsche Vergabetag hat erneut verdeutlicht, wie komplex und dynamisch das Vergabewesen ist. Die Diskussionen über neue Technologien, den Abbau bürokratischer Hürden und legislative Anpassungen zeigten auf, dass eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Vergaberechts notwendig ist, um den wandelnden Anforderungen gerecht zu werden. Der Einsatz digitaler Lösungen (wie KI) und die Vereinfachung von Prozessen sind dabei zentrale Elemente, die zu einer effizienteren und transparenteren öffentlichen Beschaffung beitragen können. Während die Umsetzung der geplanten Reformen abzuwarten bleibt, hat der Vergabetag wertvolle Impulse und praxisorientierte Ansätze für die zukünftige Ausgestaltung des Vergaberechts gegeben.